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Mittlere Technologien – billiger, arbeitsintensiver, dezentral

Am 28.12.2006 berichtete die Sächsische Zeitung in ihrer Hoyerswerdaer Ausgabe ("Hoyerswerdaer Tageblatt") über Investitionen, die im Jahr 2007 für die Region um Hoyerswerda angekündigt sind. 1,7 Milliarden Euro sollen investiert werden. 1500 neue Arbeitsplätze werden versprochen. Daraufhin schrieb ich folgenden Brief an die SZ, der am darauffolgenden Tag abgedruckt wurde:

Leserbrief SZ

Dieses Beispiel zeigt ein grundsätzliches Problem: Einerseits wird beständig der Wunsch nach neuen Arbeitsplätzen geäußert, andererseits scheinen die Investitionskosten pro Arbeitsplatz in unerreichbare Höhen zu klettern. Wie soll bei diesen Kosten das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit bekämpft werden?

Warum Arbeit immer teurer wird – ein Rechenbeispiel

Bei 1,1 Millionen Euro Kosten pro Arbeitsplatz kosten 5 Millionen neue Arbeitsplätze für 5 Millionen Arbeitslose insgesamt 5,5 Billionen Euro (=5500 Milliarden Euro) - wenn alle Arbeitslosen in Arbeit gebracht werden sollen (BRD, Stand 2006). Zum Vergleich: Das jährliche Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beträgt ca. 2 Billionen Euro.

Diese Zahlen machen deutlich: Es ist nahezu unmöglich, eine größere Anzahl von Arbeitsplätzen zu schaffen, wenn jeder Arbeitsplatz so riesige Investitionssummen erfordert. Dabei dürfte deutlich werden: Ein Computerarbeitsplatz allein kann nicht für diese Kosten verantwortlich sein. Die Investitionen beziehen sich auf "Arbeitsmaterial", welches ein Vielfaches eines Computerarbeitsplatzes kosten – auf Maschinen mit einem sehr hohen Automatisierungsgrad, bei dem nur wenig menschliche Arbeitskraft benötigt wird.

Einerseits ist dies eine wünschenswerte Entwicklung: Durch die fortschreitende Automatisierung wird menschliche Arbeit nicht mehr benötigt. Die Menschen könnten ihre Zeit ihren Lieblingsbeschäftigungen widmen. Andererseits werden jene Menschen, die nicht am Produktionsprozeß beteiligt werden, auch nicht an den Produktionsergebnissen beteiligt. Die Suche nach Betätigungsfeldern, die genug für den Lebensunterhalt abwerfen, bleibt somit bestehen.

small is beautiful – mittlere Technologie

Diese Problematik beschrieb bereits 1973 E.F. Schumacher in seinem Buch "small is beautiful" (Die Rückkehr zum menschlichen Maß). Das Problem, welches er vor allem in Bezug auf die Entwicklungsländer beschrieb, betrifft jedoch die entwickelten Regionen genauso. Sein Vorschlag: Es sollen Technologien entwickelt werden, die weder so einfach wie Bleistift und Papier sind noch so riesig wie eine ganze Druckerei. Mittlere Technologie. Oder auch "angepaßte Technologie".

"Um der Arbeitslosigkeit beizukommen, muß sie möglichst viele Arbeitsplätze schaffen - sie muß also arbeitsintensiv sein und vorrangig Menschen statt Maschinen zum Arbeiten bringen"

E.F. Schumacher über die "mittlere Technologie" in seinem Buch "small is beautiful"

Zwischen Bleistift und der Druckerei liegt heute der Personalcomputer. Zusammen mit einem Drucker und einem Scanner ist der PC so etwas wie eine Druckerei für jedermann. Mit einem Internetanschluß kann er ein Redaktionsbüro einer Online-Zeitung, eine elektronische Bibliothek oder der "Tresen" eines Online-Shops sein. Und auch ein Grafik- und ein Soundstudio stecken in einem Computer – und diese vielfältige Einsatzmöglichkeiten gibt es zu einem Preis, den sich (fast) jedermann kaufen kann. Der moderne PC ist also ein Beispiel für mittlere Technologie.

Will man das Problem der Arbeitslosigkeit wirklich angehen, müssen Technologien zum Einsatz kommen, die weniger automatisiert sind: arbeitsintensivere Kleintechnik. Durch den Einsatz weniger riesiger Automationen wird nicht nur die menschliche Arbeitskraft wegrationalisiert, es entstehen auch Abhängigkeiten zwischen den entstehenden monopolartigen Strukturen und den Kunden, den Angestellten und den Lieferanten. Kleinere, dezentral einsetzbare Technologien erlauben dagegen einer Vielzahl von Kleinstunternehmen, Nischenprodukte in ihren lokalen Märkten anzubieten und verhindern monopolistische Tendenzen.

Fazit

Die heute eingesetzten Technologien sind vielfach zu automatisiert und damit zu teuer, um einerseits bezahlbar zu sein und andererseits Menschen in Arbeit zu bringen. Ergänzend sollte deshalb die Entwicklung und Bekanntmachung mittlerer Technologie vorangetrieben werden.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 13.01.2007
weiterführende Literatur: E.F.Schumacher, "Die Rückkehr zum menschlichen Maß. Alternativen für Wirtschaft und Technik. small is beautiful", ISBN: 3-498-06121-6

Nachtrag, Oktober 2020:

Vortrag zu mittleren Technologien auf dem Netzwerktreffen der Offenen Werkstätten in der Lausitz als Video.