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Hanf als (nachwachsender) Rohstoff in einer regionalen Kreislaufwirtschaft

Bei der Umsetzung einer regional ausgerichteten Wirtschaftsweise stehen die Regionen vor der Herausforderung, möglichst vielfältige Ressourcen aus dem eigenen (geografisch nahen) Umfeld zu beziehen: Ressourcen, die als Basis für die Herstellung von Produkten oder Zuliefererzeugnissen dienen.

Nachwachsende Rohstoffe

Die nächste Stufe der industriellen Revolution wird insbesondere nachwachsenden Rohstoffen den Vorzug vor fossilen (Erdöl, Kohle, Methan) oder mineralischen Rohstoffen (Eisen, Uran, Coltan) geben, da nachwachsende Rohstoffe

  • nicht durch die natürliche Endlichkeit von Lagerstätten begrenzt sind
  • nicht nur in wenigen, leicht zu monopolisierenden Vorkommen existieren
  • nicht durch grundsätzlich umweltschädigenden Abbau bzw. Förderung zerstörerisch auf Mensch & Natur wirken

sondern

  • in vielen Regionen angebaut und entsprechend auch dort verarbeitet und verbraucht/genutzt werden können
  • durch ihren nachwachsenden Charakter prinzipiell beliebig lange und in diesem Sinne unbegrenzt verfügbar sind
  • durch Züchtung auch an Regionen mit klimatischen oder bodenspezifischen Besonderheiten angepasst werden können
  • bei intelligenter Nutzung abseits von Monokulturen sogar Lebensgrundlage für Pflanzen und Tiere sein können und die Biodiversität fördern statt sie zu zerstören.

Hanf als (nachwachsender) Rohstoff

Hanf (Cannabis sativa) gehört zu den ältesten Nutzpflanzen der Welt, in China wurde er schon vor mindestens 10.000 Jahren genutzt. Hanf wächst in unterschiedlichen Klimazonen der Erde: Es gibt sowohl Sorten, die im subtropischen Klima Südamerikas beheimatet sind als auch Sorten, die an die Klimabedingungen Sibiriens angepasst sind (Ruderalhanf). Auch in Europa wächst die Pflanze (Studie des Freistaat Sachsen: Nachwachsende Rohstoffe (Hanf, Flachs, Salbei und Kamille) – Anbau und Bedeutung für den Lebensraum Acker in Sachsen
). Die einjährigen Pflanzen wachsen in ihrer weniger als ein halbes Jahr dauernden Wachstumsphase bis zu 4 Meter hoch und können als Basis für vielfältigste ökonomische Anwendungen genutzt werden.

Hanf als Faserlieferant für Papier und Textilien

Baumwolle ist heute der wichtigste (nachwachsende) Rohstoff für die Herstellung von Textilien. Baumwolle wächst jedoch nur in wenigen Regionen der Welt und ist auf große Mengen chemischer Unterstützerstoffe (Düngemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel usw.) angewiesen. Mit dem Import von Baumwolle und baumwollbasierenden Produkten wird also immer auch die Einbringung von Chemikalien in die Natur gefördert. Im Gegensatz zur Baumwolle ist für den Hanfanbau wenig bis gar kein Dünger und auch keine Pestizide notwendig. Dabei lassen sich alle Textilien auch aus Fasern aus Hanf herstellen. Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Textilien, die aus Hanffasern bestehen; historisches Beispiel ist die erste Levi's Jeans, die aus Hanf gemacht war.

Dieselben Fasern dienten bereits jahrhundertelang zur Herstellung von Papier, so war beispielsweise Gutenbergs erste Bibel auf Hanfpapier gedruckt. Während Bäume, deren Holz heute vorwiegend die Basis zur Papierherstellung ist, teilweise Jahre oder gar Jahrzehnte zum Wachstum benötigen, können die langen Hanffasern jährlich geerntet werden. Hier bietet die Hanfpflanze eine Alternative zum Abholzen alter Wälder.

Hanf als Öl- und Nahrungspflanze

Die Früchte des Hanfes sind kleine Nüsse, die reich an Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen sowie ungesättigten und gesättigten Fettsäuren sind. Sie werden heute bereits in kleinem Maßstab als Müsli oder Zutat in Backwaren (Brot, Brötchen) genutzt. Auch Mehl auf Hanf-Basis sowie Brotaufstrich und Schokolade mit Hanfsamen-Zutaten gibt es bereits zu kaufen und verdeutlichen das Potential der Pflanze als Lebensmittellieferant.

Besondere Bedeutung hat dabei der hohe Anteil an Öl in den Samen, welches ausgepresst überall dort Verwendung finden kann, wo andere Öl-Arten heute benutzt werden. Speiseöl ist dabei nur ein winziger Teilaspekt, prinzipiell können alle andere Produkte auch aus Hanföl hergestellt werden, die heute auf Erdöl oder anderem Öl (Sonnenblumenöl, Leinsamenöl, Rapsöl usw.) basieren. Und natürlich kann Hanföl auch als Brennstoff für Verbrennungsmotoren oder Heizungen genutzt werden.

Hanf als Rohstoff für die chemische und pharmazeutische Industrie

Hanföl kann wie jedes andere Öl durch chemische Veredelungsprozesse weiterverarbeitet werden, um daraus Kunststoffe, Farben, Lacke oder andere Ölprodukte herzustellen. Bereits heute gibt es Kosmetika und Waschmittel auf Hanfbasis zu kaufen. Hanf hat das Potential, ein "regional förderbarer" Rohstoff für die Chemieindustrie zu werden.

Doch auch im Rahmen von Heilungsprozessen sind Hanfprodukte einsetzbar. Hanföl wirkt bei Neurodermitis und Allergien, die bei Hanfrauchern beliebten Inhaltsstoffe des Hanfs erzielen vielfältige medizinische Wirkungen, die Basis für eine regionale pharmazeutische Verarbeitung sein können. Tetrahydrocannabinol (THC) und andere Cannabinoide werden zur Hemmung von Übelkeit und als Appetitanreger bei Krebs- und Aids-Therapien eingesetzt, die Wirkstoffe senken den Augeninnendruck und beugen Grünem Star vor, sie lindern die Beschwerden bei Muskelkrämpfen und Epilepsie. Als Schmerzmittel wurde Hanf traditionell beispielsweise bei Menstruationsbeschwerden eingesetzt und neuere Studien berichten auch über Hilfe bei Alzheimer. Die Forschung über Cannabis als Medizin steht dabei eher noch am Anfang.

Hanf als Baustoff & Energiepflanze

Nicht nur zu Papier und Textilien lassen sich die Hanffasern verarbeiten, auch als Dämmwolle findet die Pflanze Verwendung. "Staubarme Verarbeitung, Hautverträglichkeit ohne Juckreizverursachung und gute Dämmwerte" (Thermo-Hanf.de) machen aus Hanf ökologisch wertvolles Baumaterial. Werden Hanfschäben, der holzige Anteil des Hanfstengels, mit Kalk oder Zement gemischt, entstehen dem Gasbeton ähnliche Ziegel. Gepresst und verleimt entstehen aus den Pflanzenteilen Bretter, die als Alternative zu Massivholz verwendet werden.
Die genannten Beispiele zeigen, dass der nachwachsende Rohstoff Hanf vom Stengel bis zu Blüten und Samen vollständig ökonomisch verwertbar ist – bei gleichzeitiger Beachtung der Ökologie. Pflanzenreste oder auch ganze Hanf-Pflanzen sind darüber hinaus natürlich Biomasse, wie sie in Biomassekraftwerken verstromt wird. Die regionale Herstellung von Elektro- oder Wärmeenergie kann also um einen Biomasse-Rohstoff erweitert werden.

Nachwachsende Rohstoffe in einer regionalen Kreislaufwirtschaft

Nachwachsende Rohstoffe stellen die Basis für industrielle Prozesse der Zukunft dar – sie sind regional anbaubar, können regional verarbeitet und natürlich regional genutzt und verbraucht werden. Auf der Basis nachwachsender Rohstoffe können ganze Industriezweige entstehen, deren Wertschöpfungsketten innerhalb der jeweiligen Regionen liegen und deren Ergebnisse den Menschen zukommen, die an diesem regionalen Wertschöpfungsprozess beteiligt sind. Das Beispiel Hanf macht deutlich, welche Vielzahl von Produkten die meisten Regionen aus sich selbst heraus erbringen können (von Textilien über Papier bis zu Lebensmitteln, Energie und chemischen Erzeugnissen) und in welcher Vielzahl von Branchen Menschen Beschäftigung finden können:

Hanf als nachwachsender Rohstoff

Abbildung: Einsatzbereiche von Hanf als nachwachsendem Rohstoff

Die Möglichkeit zur Versorgungssouveränität der Regionen schließt nicht aus, dass globaler Warenaustausch und Handel den Wohlstand steigern, sehr wohl kann eine Besinnung auf die regionalen Potentiale helfen, Phänomene wie Kaufkraftabfluss, Abwanderung und Deindustrialisierung abzumildern oder umzukehren. Was liegt näher als eine Region mittels nachwachsender Rohstoffe in die Lage zu versetzen, zumindest jene Produkte selbst herzustellen, die regional herstellbar sind und von der Bevölkerung gebraucht werden?

Fazit

Die nächste Stufe der industriellen Revolution wird durch einen verstärkten Einsatz nachwachsender Rohstoffe geprägt sein. Auch Regionen ohne Bodenschätze können sich durch Landwirtschaft Rohmaterialien verschaffen und diese als Basis für den Auf- und Ausbau industrieller Verarbeitung nutzen. Die Öl- und Faserpflanze Hanf macht deutlich, welche Vielfalt von Produkten die Regionen aus sich selbst heraus erbringen können, wobei regionaler Anbau und Verarbeitung dafür sorgt, dass die entstehenden Ergebnisse jenen Menschen zukommen, die an der regionalen Wertschöpfung beteiligt sind.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 04.01.2008