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Die Umlaufsicherungsgebühr in Regionalwährungen – Sinn, Zweck und Wirkungsweise

In die meisten regionalen Gelder ist eine Gebühr integriert, die mit verschiedenen Namen bezeichnet wird:

  • Umlaufsicherungsgebühr/Umlaufgebühr
  • Geldhaltegebühr
  • Liquiditätsgebühr

Diese Gebühr wird auf verschiedene Art und Weise erhoben:

  • entweder müssen Marken gekauft und auf dafür vorgesehene Stellen auf den Scheinen geklebt werden ("Markengeld", beispielsweise der "Chiemgauer" im Chiemgau)
  • oder eine Tabelle informiert, wie hoch der Nennwert eines einzelnen Scheines zu welchem Zeitpunkt ist ("Tabellengeld", beispielsweise der "Bremer Roland" in Bremen)
  • oder die Scheine haben ein Ablaufdatum, zu welchem sie gegen Einbehalt der Gebühr in neue Scheine umgetauscht werden ("Ablaufgeld", beispielsweise der "Urstromtaler" in Sachsen-Anhalt)

Allen Methoden ist gemeinsam, dass sie in das Regionalgeld eine zeitliche Befristung einbauen. Die Idee dieser Befristung entstammt der Freiwirtschaftstheorie (siehe auch: Eine experimentelle Überprüfung der Aussagen der Freiwirtschaftstheorie)

Die Einnahmen, die durch die Gebühr entstehen, fließen der Stelle zu, welche das Regionalwährungssystem administriert. Wozu diese Einnahmen verwendet werden liegt in der Hoheit der Systemadministratoren: Sie kann zur Kostendeckung benutzt werden (für Druck-, Personal- und andere anfallende Kosten) oder wird – wie beispielsweise beim Chiemgauer – an gemeinnützige Vereine und Projekte gezahlt, die das Regionalwährungssystem unterstützen.

Wie wirkt diese Gebühr und warum wird sie erhoben?

Individuelle Sicht auf die Umlaufsicherungsgebühr

Aus Sicht eines wirtschaftenden Individuums wird die Gebühr oft als nachteilig empfunden: Die Menschen sehen, dass im Gegensatz zu den bislang bekannten Geldsystemen, ihr eingenommenes Geld nicht "haltbar" ist. Das führt manchmal zu dem Gefühl, jemandem solle etwas weggenommen werden. Bei einer rein ego-zentrischen Sichtweise ist dieses Gefühl nicht zu überwinden. Jemand der nur für die Maximierung des eigenen Geldvermögens wirtschaftet und meint, unabhängig vom Rest des Wirtschaftssystems zu sein, wird die Gebühr als Last empfinden. Löst man sich jedoch gedanklich für einen Moment von der eigenen Situation und schaut sich die Situation der anderen Wirtschaftsteilnehmer an, so ändert sich mit der Sichtweise auch das Gefühl.

Denn Fakt ist: Durch die integrierte Geldhaltegebühr wird es teurer, Regionalgeld zu horten und zurückzuhalten. Oder andersherum: Durch diese Gebühr ist es sinnvoller, Regionalgeld auszugeben, anstatt es unters Kopfkissen zu legen. Da nun jeder einzelne Wirtschaftsakteur vor diesem Problem steht, geben alle gemeinsam ihr Geld öfter aus. Wenn Geld öfter ausgegeben wird, bedeutet dies natürlich, dass es auch öfter eingenommen wird! Denn: Wenn jemand Geld ausgibt nimmt es ein anderer ein.

Der individuelle Nachteil, auf "sein eigenes Geld" Umlaufsicherungsgebühren zahlen zu müssen, wandelt sich zum Vorteil, dass den eigenen Kunden das Geld "lockerer sitzt".

Schauen wir uns an, wie sich dies auf das Gesamtsystem auswirkt, in welchem eine umlaufgesicherte Regionalwährung als Zahlungsmittel umläuft.

Systemische Sicht auf die Umlaufsicherungsgebühr

Eine wichtige Frage lautet: Warum benutzen Menschen Geld?

Leistungsaustausch als Voraussetzung für Spezialisierung und Arbeitsteilung

Unabhängig davon, wie Geld historisch entstanden ist, nutzen wir Geld heute als Werkzeug zum Austausch von Waren und Dienstleistungen. Wäre Geld noch nicht erfunden, so müßte jeder Anbieter genau diese Kunden finden, die ihm im Tausch etwas anbieten, was er grade benötigt. Es sollte deutlich werden, dass es ohne Geld sehr kompliziert wäre, zu wirtschaften wie wir es heute tun. Der hohe Grad der Arbeitsteilung in unserem heutigen Wirtschaftssystem wäre ohne Geld nicht möglich. Arbeitsteilung heißt, dass die Wirtschaftsakteure auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen spezialisiert sind und andere Produkte oder Dienstleistungen nur schwer oder gar nicht anbieten können. Die Spezialisierung ist jedoch nur möglich, weil die Spezialisten ihre Spezialleistungen untereinander austauschen können. Sonst käme kein Programmierer, kein Beamter, kein Lokführer, kein Lehrer, kein Wissenschaftler, kein Ingenieur, kein Marketingspezialist zu seinen Frühstücksbrötchen oder hätte ein Dach über dem Kopf. In unserer komplexen Ökonomie wird für den Leistungsaustausch der tausenden Produkte und Leistungen ein Tauschmittel benötigt: Geld.

Widerspruch zwischen Wertaufbewahrungsfunktion und Tauschmittelfunktion im heutigen Geldsystem

In der etablierten Wirtschaftstheorie werden dem Geld mehrere Funktionen zugeschrieben:

  • Wertmaßstab (Geld hilft, unterschiedliche Produkte untereinander wertmäßig vergleichbar zu machen)
  • Tauschmittel (zum Austausch von Gütern und Leistungen, siehe oben)
  • Wertaufbewahrungsmittel (zum Transfer von Kaufkraft in die Zukunft)

Betrachtet man das heutige Geld, so wird das Streben der Wirtschaftsakteure nach immer mehr Geld verständlich: Das heutige Geld "wird nicht schlecht", es kann in beliebiger Menge angehäuft werden (Wertaufbewahrungsfunktion). Damit steht die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes jedoch in direktem Widerspruch zur Tauschmittelfunktion. Denn: Geld, welches gesammelt ist, steht zu diesem Zeitpunkt eben gerade nicht als Tauschmittel zur Verfügung. Heutiges Geld kann zu einem konkreten Zeitpunkt nicht gleichzeitig zum Tausch oder zur Wertaufbewahrung genutzt werden, sondern kann immer nur entweder die eine oder die andere Funktion erfüllen.

Ein Extrembeispiel soll deutlich machen, welche Wirkungen diese widersprüchlichen Geldfunktionen haben können.
Man stelle sich vor, ein Großteil der Bevölkerung ändere seine monatlichen Einkaufsgewohnheiten und spart plötzlich möglichst viel Geld, um es aufzubewahren. Das aufbewahrte Geld fließt logischerweise nicht zu den Unternehmern, die deshalb mit Umsatzeinbrüchen konfrontiert sind. Um Kosten zu sparen, werden die Unternehmen Lieferantenaufträge stornieren und Angestellte entlassen: Eine Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit entsteht.

Dr. Hugo Godschalk hat auf dem 3. Regiogeldkongreß 2005 Zahlen genannt, die darauf hindeuten, dass die Konstruktion des Dollars die Weltwirtschaftskrise entscheidend mit verursacht hat. Er berichtete, dass vor der Weltwirtschaftskrise jeder Dollar 3 Mal pro Jahr den Besitzer wechselte. Während der Weltwirtschaftskrise brach diese Umlaufgeschwindigkeit des Dollars auf 2 ein. Dies bedeutet, dass die Leistungskraft der US-Wirtschaft allein aufgrund des langsameren Geldumlaufes um ein Drittel einbrach.

(Alternative Wirtschaftstheorien schließen nicht aus, dass es dieser Widerspruch zwischen Tauschmittel- und Wertaufbewahrungsfunktion ist, die das heutige Geld auch zum Spekulationsmittel macht - Stichwort "Hedge Fonds".)

Die Auflösung des Widerspruchs durch die Umlaufsicherungsgebühr

Die Umlaufsicherungsgebühr verändert die Nutzungsmöglichkeiten des Geldes: Geld eignet sich schlechter als Wertaufbewahrungsmittel, wenn es mit dieser Gebühr belegt ist. Umlaufgesichertes Geld aufzubewahren ist zwar möglich, aber es wird teurer. Entsprechend verschieben sich die Geld-Funktionen: Die Beschneidung der Wertaufbewahrungsfunktion hebt zugleich die Tauschmittelfunktion des Geldes hervor. Geld mit integrierten Geldhaltekosten ist ein besseres Zahlungsmittel.

Die zu erwartende Wirkung der Gebühr ist, dass das regionale Zahlungsmittel schneller weitergegeben wird als in den bislang bekannten Geldsystemen. Aufgrund der regionalen Bindung der Währung ist sichergestellt, dass die Ausgaben den regionalen Unternehmen zufließen. Dass die Umlaufgeschwindigkeit einbricht, wie dies das Beispiel des Dollar-Umlaufs zur Weltwirtschaftskrise deutlich macht, sollte in solchen Geldsystemen nicht in diesem Maße vorkommen – der Geldumlauf wird stetiger.

Betrachtet man das Gesamtsystem und vergleicht es mit den heute üblichen Geldsystemen, so wird deutlich:

  • durch höhere Geldhaltekosten verändert sich das Verhalten der Individuen und damit das Verhalten des Gesamtsystems
  • die Kassenhaltung wird optimiert
  • Geldhalter stehen unter erhöhtem Kostendruck, woraus folgt:
  • die Zahlungsmoral verbessert sich (da Nicht-Zahlen teurer wird)
  • Geldhalter stehen unter Angebotsdruck, woraus folgt:
  • die Zinssätze sinken

Wirkungen auf dem Kreditmarkt, oder: Wie Wirtschaftsakteure der Umlaufsicherungsgebühr entgehen können

Bei der Umlaufsicherungsgebühr wird deutlich: Nur derjenige muss diese Gebühr zahlen, der Geld "übrig" hat. Je weniger Geld "übrig" ist, umso geringer fallen die Geldhaltekosten aus. Je mehr Geld "übrig" ist, umso höher sind die Gebühren – Vermögende zahlen also mehr als Vermögenslose.

Trotzdem ist es dem Individuum möglich, der Umlaufsicherungsgebühr zu entgehen: Durch Kreditvergabe. Hat ein Wirtschaftsakteur mehr Regionalgeld, als er zum aktuellen Zeitpunkt benötigt, so kann er der Umlaufsicherungsgebühr entgehen, indem er seine Überschüsse einem anderen Wirtschaftsteilnehmer als Kredit zur Verfügung stellt. Dabei entsteht ein zweiseitiges Kreditverhältnis: Der Kreditnehmer hat Geldschulden beim Kreditgeber; der Kreditgeber hat Geldguthaben beim Kreditnehmer. Aus dem "überschüssigen" Geld wird bei der Kreditvergabe also ein Geldguthaben-Geldschulden-Paar. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Kreditnehmer sich Geld leiht, um es nicht auszugeben – vielmehr wird er den Kredit aufnehmen, um damit einzukaufen. Damit gibt auch er das Geld weiter, so dass keiner der beiden Wirtschaftsakteure "Geld" hat und damit auch keiner der beiden die Geldhaltegebühr tragen muss. Sie sind ein Vertragsverhältnis eingegangen, bei dem sich der Kreditgeber verpflichtet, Geld für einen bestimmten Zeitraum zu überlassen und bei dem sich der Kreditnehmer verpflichtet, Geld nach dem vereinbarten Zeitraum zurückzuzahlen.

Der Vorteil für den Sparer: Er kann seine Kaufkraft in die Zukunft transferieren. Vorteil für den Kreditnehmer: Er kann Investitionen oder Käufe vorziehen, die er aus Eigenmitteln allein nicht hätte tätigen können. Darin unterscheiden sich Regionalwährungssysteme nicht vom heutigen Geldsystem.

Das Bankensystem und (lokale) Kreditvermittler

Natürlich ist es möglich und sinnvoll, für die Kreditvermittlung einen entsprechend erfahrenden Dienstleister dazwischenzuschalten: Eine Bank. Die Umlaufsicherungsgebühr ändert also nichts daran, dass Banken als Vermittler zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer auftreten können. Im angelsächsischen Raum gewinnen auch andere Modelle der Kreditvergabe an Bedeutung, wie Firmen wie Zopa.com und Prosper.com zeigen. Es ist wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren auch regionale Angebote rund um die Regionalwährungen entstehen, die sich um die Kreditvermittlung in den entstehenden Regionalmärkten kümmern.

Der Preis der Kreditvergabe: Sinkende Zinssätze fördern Investitionen

Gemäß den Regeln der freien Marktwirtschaft gilt die Vertragsfreiheit: Kreditnehmer und Kreditgeber sind frei darin, einen Preis für die Überlassung des Kredites zu vereinbaren. Allerdings gibt es in umlaufgesicherten Geldsystemen einen besonderen Unterschied zu den bisherigen Geldsystemen: Die Zinssätze werden sinken.

Warum ist davon auszugehen, dass Kredite in Regionalwährungen billiger werden? Wie bereits dargelegt ist es in umlaufgesicherten Geldsystemen teuer, Geld zurückzuhalten. Geld nicht weiterzugeben ist also mit Kosten verbunden. Damit ändert sich das Verhältnis zwischen Geldbesitzern und Geldnachfragern am Kreditmarkt: Die Geldbesitzer stehen unter Kostendruck. Wie auf allen anderen Märkten führt Kostendruck dazu, dass Preise gesenkt werden. Am Geldmarkt ist der Preis für die Geldüberlassung der Zinssatz. Der Angebotsdruck auf die Geldhalter sollte zu entsprechenden Preissenkungen führen.

Die Höhe der Zinssätze hängt natürlich von Angebot und Nachfrage ab. Deshalb lassen sich folgende Voraussagen für die Zinssätze in umlaufgesicherten Geldsystemen machen:

  • der Zinssatz pendelt um 0%, wenn die Wirtschaftsleistung konstant bleibt
  • der Zinssatz liegt oberhalb 0%, wenn die Wirtschaft wächst
  • der Zinssatz liegt unterhalb 0%, wenn die Wirtschaft schrumpft

Warum gerade 0%? Versetzen wir uns in die Lage eines Geldbesitzers, so wird klar: Wenn er seine Geldüberschüsse nicht verleiht, so hat er die Geldhaltekosten zu tragen. Die Geldhortung schlägt also mit einem negativen Zinssatz zu Buche. Jede Verzinsung, die besser ist als die Geldhaltegebühr ist also ein Gewinn für den Geldhalter. Bei einer Verzinsung von 0% ergibt sich für den Kreditnehmer ebenso wie für den Kreditgeber eine besondere Situation: Der Kreditgeber entgeht der Geldhaltegebühr und bekommt nach Ablauf des Kreditvertrages genau jenen Betrag zurück, den er verliehen hat – der Wert seines Geldes blieb also erhalten. Der Kreditnehmer kommt an preisgünstige Liquidität, mit der er Investitionen tätigen kann und er ist bei einem Zinssatz von 0% nicht gezwungen, seine Produktion exponentiell auszuweiten, um seine Kredite bedienen zu können.

Im Einzelfall werden sich sicherlich andere Kreditkonditionen ergeben, es sollte jedoch deutlich werden, dass in umlaufgesicherten Geldsystemen Investitionen entscheidend billiger und damit wahrscheinlicher werden. Während in heuten Geldsystemen die Kreditkosten oft einen so großen Kostenblock ausmachen, dass viele Investitionen gänzlich unterbleiben, so lohnen sich in einem Regionalwährungssystem auch Investitionen, die viel niedrigere Renditen abwerfen, als dies heute nötig ist.

Fazit

Umlaufgesicherte Regionalwährungen ändern das Verhalten der Geldbesitzer und damit die Dynamik innerhalb des regionalen Marktes. Die Zahlungsmoral verbessert sich und die Geld-Umlaufgeschwindigkeit verstetigt sich. Um der Geldhaltegebühr zu entgehen können die Geldhalter Kredite vergeben. Das zu erwartende größere Geldangebot auf dem Kreditmarkt führt zu sinkenden Zinssätzen und macht es wahrscheinlicher, dass regionale Investitionen stattfinden. Die Kreditvermittlung kann durch entsprechende Banken und Geldinstitute vorgenommen werden, möglich ist auch, dass sich regionale Dienstleister auf diese Marktlücke spezialisieren.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 23.02.2007